Das Politmagazin „Report Mainz“ schilderte einen Fall, in dem eine Apotheke ein Nahrungsergänzungsmittel (NEM) verkaufte, das Arthemisiaextrakt enthielt. Man empfahl das Mittel einer Kundin, deren Mutter an Darmkrebs litt. Laut O-Ton der Kundin sollte ein Pflanzenextrakt (aus Arthemisia) helfen, den Tumor komplett wegzuschrumpfen. Daraufhin überprüften die den Fall untersuchenden Journalisten diese Aussage. Sie riefen in der Apotheke an und sagten ihre Mutter leide an Darmkrebs. Daraufhin empfahl ihnen ein Mitarbeiter das Nahrungsergänzungsmittel mit dem Arthemisia-Extrakt mit dem Hinweis: „Generell zerstört es alle Tumorzellen, egal ob Darmkrebs, Brustkrebs oder Lungenkrebs.“ Der Preis: eine Flasche kostet knapp 45 Euro – und reicht genau einen Tag.
Um zu prüfen, inwieweit Verbraucherinnen und Verbraucher vor derartigen Betrugspraktiken geschützt sind, meldeten die Autoren des Berichts, ein fingiertes NEM als „Immuno Royal forte“ beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) an. Laut Deklaration sollte das Mittel, ein in Arzneikapseln abgefülltes harmloses Pulver, einen Extrakt aus Datura stramonium, Stechapfel enthalten. "Damit kann man potenziell auch Menschen umbringen.", so der Pharmakologe Prof. Martin Smollich. Selbst nach zwei Monaten reagierten weder das BVL noch die obersten für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Landesbehörden auf dieses gesundheitsschädliche Produkt. Zwar schreibt die Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) vor, dass ein NEM vor dem ersten Inverkehrbringen dort anzumelden ist, eine Prüfung durch das BVL gemäß NemV ist nicht vorgesehen. Bei jährlich rund 8 000 beim BVL eingehenden Meldungen wäre eine Prüfung organisatorisch auch kaum möglich. Jedoch hätte „Immuno Royal“ mit Stechapfel spätestens bei dem für den Herstellersitz zuständigen Ministerium auffallen müssen. Dorthin sind die Meldungen der NEM laut der NemV unverzüglich zu senden.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) sieht die Aktivitäten der amtlichen Überwachung im Bereich der NEM durchaus positiv. So sind nach einem Bericht des Verbandes in den Bilanzen der amtlichen Lebensmittelüberwachung Deutschlands Nahrungsergänzungsmittel mit einer Beanstandungsquote mit durchschnittlich 30 Prozent vertreten. Wobei die Werte in den einzelnen Bundesländern deutlich schwanken. Beanstandet werden vor allem nicht zugelassene Zutaten und Überdosierungen. Offensichtlich weist aber das sonst dichte Netz der Kontrolle noch Lücken auf. So kritisiert der VZBV, dass Produkte aus dem Internet- und Direkthandel nur in geringem Umfang untersucht werden. Ferner bemängelt er, das Fehlen eines abgestimmten Vorgehens im Rahmen der Amtshilfe innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten.
QUELLEN:
• Report Mainz, Sendung: 10.09.2019: Das Geschäft mit der Hoffnung – wie Apotheken mit Nahrungs-ergänzungsmitteln Kasse machen
• Verbraucherzentralen in Kooperation mit dem Verbraucherzentrale Bundesverband e.V./Team Lebensmittel: Klartext Nahrungsergänzung, Positionen der Verbraucherzentralen zu Nahrungsergänzungsmitteln
Dr. Herbert Otteneder (siehe auch Food & Recht, 11/2019)